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60 Jahre Lebenshilfe Bremen
Die Entstehung der Lebenshilfen in Deutschland - Vom Schatten ins Licht
Als die ersten Lebenshilfen vor rund 60 Jahren gegründet wurden, lag das dunkelste Kapitel der jüngeren deutschen Geschichte gerade erst 15 Jahre zurück. Die Nationalsozialisten hatten auch die Menschen mit geistiger Behinderung systematisch verfolgt und ermordet. Noch lange nach Kriegsende spukten die Begriffe aus der NS-Zeit in den Köpfen vieler Bürger. Von „Vollidioten“ war die Rede; solche Kinder solle man am besten in Heime stecken, rieten Ärzte und Hebammen. Aus Angst, Schuldgefühlen und Scham hielten die Eltern ihre Kinder mit geistiger Behinderung, die vor der Vernichtung durch die Nationalsozialisten gerettet worden waren, oft verborgen. Vorurteile, Intoleranz und offene Ablehnung durch eine unwissende Gesellschaft verurteilten geistig behinderte Kinder und ihre Eltern zu einem Dasein im Abseits.
Mitte der 1950er-Jahre hatten sich die Bedingungen allmählich verändert. Das „Wirtschaftswunder“ löste die meisten ökonomischen Versorgungsprobleme, und mit wachsender zeitlicher Distanz zur NS-Zeit erweiterte sich auch der pädagogisch-wissenschaftliche Horizont. Die Zeit war reif für eine Initiative, die bis heute nahezu beispiellos in der Bundesrepublik ist: 1958 gründeten 15 Eltern und der niederländische Pädagoge Tom Mutters die Lebenshilfe in Marburg. Mutters hatte bereits einige Jahre Erfahrung. Im hessischen Goddelau betreute er seit 1952 behinderte Kinder, deren Eltern im Krieg verschleppt worden waren. Diese Erfahrungen und Reiseeindrücke aus dem Ausland hatten ihn gelehrt, dass man für Menschen mit geistiger Behinderung viel mehr tun konnte und ihn ermutigt, die Initiative zu ergreifen. Innerhalb kürzester Zeit gründeten sich in ganz Deutschland Orts- und Kreisvereinigungen – so auch schon zwei Jahre später in Bremen.
Vielen Eltern erschien die Gründung der Lebenshilfe damals als ein „Lichtstrahl im Schattendasein ihrer behinderten Kinder“. Denn endlich wurden Hilfen und Förderung für die Kinder möglich ohne einen Heimaufenthalt oder gar die Trennung von der Familie. Immer mehr Eltern trauten sich im Lauf der Zeit, selbstbewusst zu ihren behinderten Kindern zu stehen, was dazu geführt hat, dass auch die Menschen mit Behinderungen heute ganz anders in der Gesellschaft auftreten: Sie sind Teil der Gemeinschaft und wollen auch so wahrgenommen werden. Schließlich ist es ganz normal, verschieden zu sein.
Die Gründung der Lebenshilfe Bremen - Wie 1960 an der Weser alles anfing
Als die Bremer Lebenshilfe 1960 gegründet wurde, konnte niemand genau sagen, wie viele Kinder mit Behinderung es in der Stadt gab, denn viele lebten vor den Augen der Öffentlichkeit weitgehend verborgen: Nicht wenige waren in Anstalten außerhalb Bremens untergebracht, andere lebten – genau wie ihre Eltern – mehr oder minder isoliert.
Drei Bremer Familien ergriffen damals die Initiative. Sie setzten sich mit Georg Gries, dem damaligen Leiter des „Martinshofs – Städtische Sozialwerkstätten Bremen“, in Verbindung und luden Tom Mutters, den Gründer der Marburger Lebenshilfe, nach Bremen ein. In Zeitungsartikeln wurden Eltern aufgerufen, ihre Scheu zu überwinden und zur Gründungsversammlung der „Lebenshilfe für das geistig behinderte Kind“ am 10. März 1960 in die Aula des alten Gymnasiums zu kommen. Außergewöhnlich viele Eltern folgten dem Aufruf.
Das Interesse an der Veranstaltung war so groß, dass der weitere Zugang gestoppt werden musste. Aber dennoch blieben die Türen für Außenstehende geöffnet. In dieser etwas aufgeheizten Stimmung fanden die Worte von Tom Mutters tiefe Wirkung. Seine Beispiele aus der Arbeit in den Niederlanden und sein Plan des Aufbauenes einer gesellschaftlich überfälligen Lebenshilfe für Menschen mit Behinderungen überzeugten wohl jeden. Es wurde ein fünfköpfiger Vorstand aus Eltern und Fachleuten gewählt, dazu kam ein Beirat aus 19 überwiegend Fachleuten und Behördenvertretern.
Auf der ersten Mitgliederliste am 1. Juni 1960 erschienen prompt 132 Elternmitglieder und 33 Fördermitglieder. Die erste Satzung des Vereins wurde von der Mitgliederversammlung am 20. September 1960 beschlossen und schon einen Monat später am 26. Oktober 1960 ins Bremer Vereinsregister eingetragen.
Bis heute stellen Eltern den weitaus größten Teil der Mitglieder. Als Verein von Eltern für Eltern ist die aktive Mitarbeit nach wie vor sehr willkommen. Ebenso ist es wichtig, dass Menschen mit Behinderung selbst zu Wort kommen und für ihre Interessen eintreten. Und diese Interessen sind so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Diesen individuellen Wünschen versucht die Lebenshilfe Bremen mit zahlreichen Angeboten individuell zu entsprechen – immer mit dem Ziel vor Augen, ein hohes Maß an Selbstständigkeit und eine gleichberechtigte Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen.